30.08.2023rss_feed

Transformation braucht Geld, Forschung und Fachkräfte

Prof. Prof. Dr. Julia Steinhoff-Wagner, Professur für Tierernährung und Metabolismus | Technische Universität München
© BRS e.V.

Aktuell wird der Fachkräftemangel in Deutschland immer größer. Besonders für systemrelevante Bereiche, wie der Ernährungssicherung, hat diese Entwicklung eine große Tragweite. Im Bereich Tierwohl und Umweltschutz ist unser Land durch die Forschung weltweit führend.

Die Transformation der Nutztierhaltung in Deutschland ist von der Politik eine beschlossene Sache. Dafür brauchen wir innovative Forschung, raschen Wissenstransfer und auch eine Basis an jungen, motivierten tierhaltenden Landwirt:innen, die die erarbeiteten Lösungen in die Praxis umsetzen. Es ist keine akzeptable Lösung unsere Nahrungsmittelproduktion in andere Länder auszulagern.


Die finanzielle Ausstattung der Universitäten ist nicht ausreichend

In den vergangenen Jahren wurde die Förderung der Agrarforschung an deutschen Universitäten eher stiefmütterlich behandelt, davon ist Professorin Dr. Julia Steinhoff-Wagner, Inhaberin des Lehrstuhls für Tierernährung und Metabolismus an der Technischen Universität München, überzeugt. Außerdem seien große Lehrstühle im vergangenen Jahrzehnt mit deutlich geringer ausgestatteten, kleineren Professuren ersetzt oder ganz gestrichen worden. Das bedeutet, es fehlt an dem finanziellen Unterbau für Ausbildung von Fachkräften und für Forschungsprojekte im Agrarbereich. Seit Jahren fällt es den Verwaltungen und Hochschulen immer schwerer, genügend akademischen Nachwuchs für das Referendariat zu finden, um ihre Karriere im öffentlichen Dienst zu beginnen.


Für die Tierwissenschaften ist das von besonderer Brisanz. Der politische Auftrag, die Transformation der Nutztierhaltung hin zu mehr Tierwohl geht nicht ohne Forschung mit ausreichender finanzieller Förderung. Die Forschung zum Wohle von Nutztieren und mehr Nachhaltigkeit in der Produktion tierischer Lebensmittel bedeutet einen hohen Personal- und Zeitaufwand. Tierhaltung, Betreuung und Untersuchung kosten viel Geld. Daher kann die Nutztierforschung nur über größere Projekte gewährleistet werden. Nur dann ist auch die intensive Betreuung gewährleistet, in denen der agrarwissenschaftliche Nachwuchs ausgebildet wird.


Für die die tierwissenschaftlichen Herausforderungen der Zukunft, wie beispielsweise die Tierhaltung bei Ressourcenknappheit, Extremwetterereignissen oder erhöhtem Krankheitsdruck durch zunehmende Ausbreitung von Zoonosen, werden groß angelegte, interdisziplinäre Langzeitbetrachtungen in der Forschung benötigt.


Eine Kürzung von Forschungsmitteln ist rückwärtsgewandt

Steinhoff-Wagner: Um die Probleme von Morgen lösen zu können, brauchen wir jetzt eine gute und verlässliche Forschungsförderung. Wer hier spart, spart am falschen Ende. Der wissenschaftliche Fortschritt leide durch weitere Kürzungen im Forschungsetat.


Der Tierwissenschaftsstandort Deutschland mit den dreijährigen Forschungsprojekten garantierte in der Vergangenheit zahlreiche gute ausgebildete promovierte Tierwissenschaftlicher:innen. Als Multiplikatoren sind sie die Basis dafür, dass wissenschaftliches Denken und saubere methodische Vorgehensweisen überall in der Branche breit verteilt angekommen ist. Deutsche Agrarwissenschaftlicher:innen wurden in der Vergangenheit für diese Ausbildung bewundert. Eine Kürzung von Forschungsmitteln vom Bund führt zu weniger Nachwuchs für Professuren und Dozentenstellen. Darunter leidet der Agrarstandort Deutschland, weil dies die akademische Ausbildung gefährdet. Wir dürfen unsere Landwirt:innen mit den steigenden Anforderungen, die sich aufgrund des Klimawandels und den gesellschaftlichen Erwartungen andeuten, nicht alleine lassen. Die akademische Forschung muss weiterhin kontinuierlich unterstützt werden und spezielle Fördertöpfe zur Vorbereitung auf zukünftige Herausforderungen bei der Ernährungssicherung sogar neu etabliert werden.


Es gibt jetzt schon erste Signale, dass das Know-how von bestens akademisch ausgebildeten Wissenschaftlern in der Tierernährung in andere, universitätsferne Branchen abwandert. Sie gehen der Forschung für immer verloren. Ohne funktionsfähige Infrastruktur für Wissenstransfer wird dieser Prozess sogar noch beschleunigt.


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